Ermittlungen durch Nürnberger Detektive bei Stalking | Nachstellungen: katastrophaler Ist-Zustand der Rechtsprechung


Gerichtliche Einschränkungen für Täter erst nach Eskalation


Als die Kurtz Detektei Nürnberg vor zehn Jahren ihre Tätigkeit aufnahm, stand Stalking seit gerade erst sechs Jahren überhaupt unter Strafe (§ 238 StGB „Nachstellung“). Konfrontiert mit den Schilderungen von Stalkingopfern wurde uns schnell klar, dass der noch so junge Straftatbestand viel zu kurz griff und sich ungezählte Geschädigte nach wie vor von der Justiz im Stich gelassen fühlten. 2017 erfolgte eine wichtige Erweiterung des Nachstellungsparagraphen, die sich vor allem auf Übergriffe mit den neuen digitalen Kommunikationsmitteln bezog und nicht geeignet war, das Kernproblem endlich adäquat anzugehen. Wie leider viel zu oft in Deutschland musste ein Stalkingfall bei Regensburg (Alteglofsheim) erst lebensbedrohlich eskalieren, ehe der Täter, nach der Gesetzänderung, zu einer Strafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt wurde – und das dann auch noch auf Bewährung wohlgemerkt. Der zum Verurteilungszeitpunkt 30-jährige Student hatte eine junge Frau, Doris Englbrecht, bereits seit 2009 immer wieder belästigt und gegen ihren Willen ihre Nähe gesucht. 2012 war bei ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden. 2014 wurde er erstmals wegen eines Übergriffs gegen Frau Englbrecht auf Bewährung verurteilt. In der Neujahrsnacht 2016/17 drang er schließlich, unter dem Einfluss von einem Liter Wodka-Orangensaft, maskiert und mit einer Axt bewaffnet in das Elternhaus seines Obsessionssubjekts ein. Frau Englbrecht hielt sich zu dem Zeitpunkt nicht dort auf, doch ihr Vater stach in Notwehr mit einem Klappmesser auf den auf ihn zukommenden Eindringling ein. Bei dem Kampf der beiden Männer wurde nicht nur der Stalker lebensgefährlich an Brust, Schulter und Armen verletzt, auch der Vater trug im Gerangel eine Halswunde nah der Schlagader, eine Durchtrennung der Unterkieferspeicheldrüse sowie Handverletzungen davon. Sogar stern TV berichtete ein Jahr später und dann noch einmal Ende 2021 über den Fall (Videos siehe unten).

Dem Täter kamen bei der Bestimmung des Strafmaßes sowohl seine alkoholbedingte Enthemmung und seine schweren Verletzungen als auch seine gutachterlich bestätigte Stalking-Störung zugute. Während die geschädigte Familie in der Folge psychologisch betreut werden musste, blieb der Täter auf freiem Fuß und verstieß immer wieder gegen seine Bewährungsauflagen, ohne dass es zur folgerichtigen Inhaftierung gekommen wäre. Obwohl Frau Englbrecht bereits seit Jahren unter den Nachstellungen gelitten hatte, demonstrierte die Gerichtsbarkeit, abgesehen von Kontaktverboten, Platzverweisen und Verwarnungen, Machtlosigkeit. Dabei ist mittlerweile seit Jahrzehnten einschlägig bekannt, dass sich Stalker nicht einfach als harmlose Spinner abtun lassen: In etwa 20 % der dokumentierten Fälle kommt es zu körperlicher Gewalt gegen die zu 80 % weiblichen Geschädigten. Die Folge der laschen Strafverfolgung von Stalkern: Derselbe Täter aus Bayern suchte sich nach dem öffentlichen Wirbel um seine Taten ein neues Opfer und wurde 2020 erneut verurteilt, wiederum nur auf Bewährung! Angesichts solcher Ereignisse, die – traurigerweise – weniger aufgrund ihres etwaigen außergewöhnlichen Schweregrades aus der Masse der Stalking-Delikte hervorstechen als vielmehr wegen ihrer Öffentlichkeitswirksamkeit, fühlen sich viele Geschädigte von der Justiz im Stich gelassen. Die Arbeit unserer Privatdetektei in Nürnberg bietet ihnen eine Alternative, um zumindest einen gerichtsverwertbaren Nachweis für die Übergriffe zu erhalten. Denn eins ist auch klar: Nicht nur kommen die meisten Stalker mit absurd milden richterlichen Urteilen davon, auch schon bei der Aufnahme der Fälle in der jeweiligen örtlichen Polizeistation zeigt sich vielerorts eine Geisteshaltung, die es den Geschädigten schwer macht, sich ernst genommen zu fühlen.


Originale stern-TV-Reportage aus 2017:



Was ist Stalking und was kann man dagegen tun?


Die Bezeichnung „Stalking“ stammt aus dem Englischen und dort vor allem aus der Jägersprache, wo es in etwa „heranpirschen“ bedeutet. Die berühmte Deerstalker-Mütze, bekannt aus zahlreichen Sherlock-Holmes-Adaptionen (wenngleich nie explizit von Holmes-Schöpfer Arthur Conan Doyle erwähnt), verfolgt im Wortsinn also den Zweck, sich unbemerkt an Rotwild heranpirschen zu können. Als Stalker bezeichnet man Menschen, die eine andere Person wahnhaft verfolgen, belästigen, bedrohen oder auch, im schlimmsten Fall, verletzen. Bei mehr als 80 % der Fälle liegt dem Stalking eine der verschiedenen Varianten zwischenmenschlicher Beziehungen zugrunde, beispielsweise handelt es sich bei Opfer und Täter um Ex-Partner oder Kollegen, Freunde oder Nachbarn, Patienten oder Mandanten. Die Täter sind meistens Männer, die Opfer meistens Frauen, und die durchschnittliche Dauer des Stalkings liegt, gemäß den Angaben diverser Strafverfolgungsbehörden sowie einer Studie der TU Darmstadt, bei 28 Monaten. Jeder 8. Deutsche wird mindestens einmal in seinem Leben Opfer einer derartigen Verfolgung. Unsere Privatdetektive aus Nürnberg sind seit Jahren darum bemüht, Stalking-Opfer bei der Strafverfolgung zu unterstützen, sodass sie eine Chance erhalten, jene Leichtigkeit und Sicherheit im Leben zurückgewinnen zu können, die ihnen die Stalker genommen haben.

Um zu beweisen, dass der Tatbestand des Stalkings bzw. – offiziell – der Nachstellung vorliegt, sollten zunächst sämtliche Kontaktversuche (das heißt: Briefe, SMS, Emails, Nachrichten auf der Mailbox etc.) genauestens dokumentiert werden. Schließlich, so oft die Argumentation vor Gericht, ist ein nerviger Verehrer noch lang kein obsessiver Stalker. Mit anderen Worten: Die Beweislast liegt stets beim Opfer. Und an genau dieser Stelle kommen unsere Detektive aus Nürnberg ins Spiel (mehr zur Methodik siehe unten). Ist der Tatbestand einmal nachgewiesen, können Kontaktverbote erwirkt werden, die dafür sorgen, dass der Stalker weder telefonisch noch auf sonstige Weise mit seinem Opfer Kontakt aufnehmen darf und bei einer Annäherung strafrechtlich belangt wird – zumindest in der Theorie. Faktisch jedoch empfinden viele Polizisten, Staatsanwälte und Richter, ihnen seien die Hände gebunden, solang es nicht zu körperlicher Gewalt kommt.


Wenn ein Mann das Opfer ist – selbst Rechtsanwalt machtlos


Wie sehr die Gesetzgebung dem realen Phänomen Stalking hinterherhinkt, zeigt der Fall eines Nürnberger Rechtsanwalts, der trotz all seines Fachwissens keine Möglichkeit fand, seine Verfolgerin loszuwerden. Hannes W. wurde mehr als 20 Jahre lang von der gleichen Frau belästigt; sie war Anfang der 90er Jahre als mögliche Mandantin zu ihm gekommen und wurde schon damals so übergriffig, dass sich Hannes W. zur Beendigung des Mandantenverhältnisses gezwungen sah. Daraufhin erhielt er für einige Monate beleidigende, wirre Briefe von der Frau, bis der Briefstrom versiegte. W. wusste als Anwalt natürlich, was er gegen die Stalkerin tun konnte: Er erwirkte ein Kontakt- und Annäherungsverbot und er dokumentierte jeglichen Brief, Anruf, etc., wie es auch unsere Nürnberger Privatdetektive ihren Klienten dringend ans Herz legen.

Über zehn Jahre später, 2008, tauchten dennoch erneut beleidigende Briefe auf, dazu Anrufe in der Kanzlei und unerwünschte Geschenke von einer Frau, die sich einbildete, die Ehefrau des Anwalts zu sein. Sie übersandte getragene Unterwäsche und stand im Verdacht, Kanzleipost aus dem Briefkasten entwendet und in andere Kästen gesteckt zu haben. Mindestens zwei weitere Anwälte in Franken wurden ebenfalls von derselben Täterin belästigt. Doch rechtlich gab es kein Beikommen, zweimal wurden die von Hannes W. initiierten Verfahren gegen sie eingestellt, Begründung: Die Frau sei psychisch krank, aber nicht gefährlich. Da, in Ermangelung hinreichender Indizien auf eine Gefährdung anderer oder ihrer selbst, eine Zwangseinweisung nicht in Frage kam, blieb den betroffenen Rechtsanwälten nicht viel mehr übrig, als zu hoffen, dass die Frau bald von ihnen ablassen würde. In derartigen Fällen müssen wir als Detektive in Nürnberg fairerweise einräumen, vermutlich nicht einmal groß von Hilfe sein zu können. Denn an Nachweisen für die Erfüllung des Straftatbestands der Nachstellung mangelte es schließlich nicht, dafür aber an der Konsequenz der Strafverfolgung in Deutschland.



Was machen Detektive bei Stalking?


Die Polizei kann allein schon aufgrund der Menge an Stalkingfällen (etwa 20.000 Anzeigen pro Jahr, jedoch bei einer Dunkelziffer von bis zu einer Million) den Opfern keinen Polizeischutz oder zeitaufwändige Ermittlungen für jeden Einzelfall bieten. Und selbst wenn: Weniger als drei Prozent der registrierten Täter werden angeklagt, lächerliche ein bis zwei Prozent verurteilt und, wie der oben beschriebene Fall Doris Englbrecht zeigt, selbst Verurteilungen bieten in der Regel keinen wirksamen Schutz für die Geschädigten, nicht einmal kurzfristig. Was können, angesichts dessen, fachkundige Detektive wie jene unserer Nürnberger Privatdetektei ausrichten? Nun, vor allem überbrücken wir die in den meisten Fällen als Hinderungsgrund vorgetragene Hemmschwelle für Anklagen und Verurteilungen: Wir weisen Stalking-Übergriffe gerichtsfest nach. Nicht nur helfen wir im Bedarfsfall gern bei der Identifizierung und Sicherung des vorhandenen Beweismaterials, vor allem erweitern wir selbiges durch Observationen – und zwar meist des Auftraggebers, also des Geschädigten. Man könnte diese Taktik auch als Gegenstalking bezeichnen: Durch Begleitung des Geschädigten können sämtliche Verfolger erkannt und bildtechnisch dokumentiert werden, zudem können unsere Privatermittler bei Gefahr in Verzug unmittelbar eingreifen und so weitere Eskalationen verhindern. Gleichsam gibt es aber auch Fälle, in denen es sinnvoller sein kann, beispielsweise ein bestimmtes Wohnobjekt unter Observation zu halten, um so Stalking-Übergriffe in Abwesenheit der Opfer feststellen zu können. Darüber hinaus konfrontieren wir – allerdings nur auf expliziten Auftraggeberwunsch – die Täter per Gefährderansprache, gegebenenfalls im Verbund mit einem Gesprächspsychotherapeuten.

Gern vermitteln wir auch Personenschutz für die Opfer von Stalking, jedoch sollte dies in einer sich selbst als fortschrittlich verstehenden Gesellschaft natürlich keine Dauerlösung für die Betroffenen sein, die schlussendlich ja nur wieder ein normales Leben ohne ständige Angst vor Angriffen und Belästigungen führen wollen. Eine weitere Alternative, um ein Stück persönliches Sicherheitsgefühl zurückzugewinnen, ist die Installation von Videoanlagen und Bewegungsmeldern; auch hierbei sind Ihnen die Experten für Beweissicherung aus unserer Wirtschaftsdetektei in Nürnbergganz Franken und Bayern sowie auch bundes- und weltweit behilflich. Alles Weitere besprechen wir gern in einem persönlichen Gespräch mit Ihnen, um so am besten auf Sie und Ihren persönlichen Fall eingehen zu können.


Beauftragung der Kurtz Detektei Nürnberg bei Stalking


Der oben beschriebene Stalking-Fall Doris Englbrecht ist eines von leider extrem zahlreichen Beispielen dafür, wie es der deutschen Justiz nicht gelingt, den Spagat zwischen Opferschutz und einem – grundsätzlich ja lobenswerten – Verständnis für die individuellen Umstände der Täter zu vollziehen. In der Praxis erleiden die Geschädigten viel zu oft viel zu erhebliche Einschränkungen, die in keinem Verhältnis zur Maßregelung des Täters durch die Rechtsprechung stehen. Um den Bogen zurück zur Wortherkunft des Begriffs „Stalking“ zu spannen: Im Englischen würde man die ausschweifende Täterempathie der deutschen Justiz als „overdoing“ bezeichnen. Es ist dies ein Phänomen, das aktuell viel zur Spaltung der deutschen Gesellschaft beiträgt.

Sollten Sie oder ein von Ihnen geliebter Mensch Opfer eines Stalkers sein und Sie dies gerichtsverwertbar dokumentiert wissen, so können Sie unsere Privatdetektive in Nürnberg jederzeit für einen oder mehrere Einsätze beauftragen. Wir stehen Ihnen mit Observationen, digitalen und analogen Recherchen, Ermittlungen vor Ort (häufig mit Legendenbildung), der Vermittlung von Personenschutz und vielem Weiterem zur Verfügung. Sie erreichen uns jederzeit über unser Kontaktformular, per Email (kontakt@kurtz-detektei-nuernberg.de) und – zu unseren Geschäftszeiten von Montag bis Freitag, 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr – telefonisch unter der folgenden Rufnummer: 0911 378 201 54.


Verfasserin: Dr. Maya Grünschloß 

Redaktion: Patrick Kurtz 

 

Kurtz Detektei Nürnberg und Franken

Äußere Bayreuther Straße 59

90409 Nürnberg

Tel.: 0911 378 201 54

E-Mail: kontakt@kurtz-detektei-nuernberg.de

Web: https://www.kurtz-detektei-nuernberg.de

https://www.kurtz-detektei-nuernberg.de/2023/03/09/ermittlungen-durch-nürnberger-detektive-bei-stalking-nachstellungen-katastrophaler-ist-zustand-der-rechtsprechung/

https://www.kurtz-detektei-nuernberg.de/privatdetektive-nürnberg/stalking-detektive-aus-nürnberg/


2021er Re-Evaluation des Englbrecht-Falls bei stern TV:



Hinweis zur Genderpolitik der Detektei Kurtz


Die Detektei Kurtz verzichtet in ihren Texten vorrangig aus pragmatischen Gründen bewusst auf das linguistische Gendern. Dies drückt in keiner Form einen Mangel an Respekt gegenüber weiblichen oder diversen Personen aus. Wir beschäftigen seit jeher Frauen in Führungspositionen, sind aus Überzeugung unvoreingenommen, tolerant und inklusiv und gönnen jedem und jeder die volle soziale und gesellschaftliche Gleichstellung.

Jedoch spiegelt der Gendertrend und -druck in den Augen unseres Inhabers Patrick Kurtz (Literaturwissenschaftler, im Nebenberuf Lektor) ein grundlegendes linguistisches Unverständnis gegenüber dem generischen Maskulinum in der deutschen Sprache wider. Tag für Tag sorgt der Gendertrend nicht nur für schwer lesbare Texte und lenkt damit vom Inhalt ab, er produziert auch grammatikalische Fehler, selbst in Fachpublikationen. Zudem sind die immer wieder vorgebrachten vorgeblichen Beweise sowohl für die negativen Auswirkungen des generischen Maskulinums als auch für die positiven Effekte des Genderns keineswegs, wie so oft behauptet, wissenschaftlich schlüssig belegt. Für Patrick Kurtz schafft die Gendersprache Unterschiede, wo Gleichheit herrschen sollte und angeblich auch angestrebt wird. Ihr Konzept ist im Kern diskriminierend.


„Das Spiel“ – wie Sherlockianer den Meisterdetektiv bis heute am Leben erhalten


„Sherlockian Game“ sowohl als Lesart wie auch als Übertragung der Fiktion in die Realität – ein historischer Sherlock Holmes?


Der Charakter des Ur-Detektivs und bekanntesten beruflichen Ahnen unserer Detektive in München, Sherlock Holmes, begeistert und fasziniert seit mehr als einem Jahrhundert Menschen aller Altersstufen, Ethnien und Gesellschaftsschichten; der hochintelligente Ermittler löst (nahezu) jeden noch so unlösbar erscheinenden Fall mit seiner brillanten Deduktionsweise, die selbst den gewieftesten Verbrecher zu überführen vermag. Es gibt hunderte Editionen seiner Geschichten, mehrere Dutzend Verfilmungen und Adaptionen, eine dreistellige Zahl an TV-Serienepisoden, eine Vielzahl an Spielen, sowohl analog in Form von Brett- und Kartenspielen als auch digital für PCs, Smartphones und Konsolen, sowie viele literarische Fortsetzungen ambitionierter Jungautoren, etablierter Schriftsteller und schnell wieder vergessener Dilettanten, die Sherlock Holmes‘ Geschichte weiterführen wollen (Pastiches). Die Baker Street 221b – der zum Verfassungszeitpunkt der Geschichten noch fiktive Wohnort des Meisterdetektivs – ist heute seinem Andenken gewidmet und halb Museum, halb Fanshop für den Mann mit den weltbekannten Markenzeichen: Deerstalker-Hut, Hakennase, Meerschaumpfeife, Lupe und gelegentlich die Violine.

Abgesehen vom großen wirtschaftlichen Interesse an der Verbreitung und Vermarktung des englischen Gentleman gibt es eine weltweit agierende Gesellschaft, die sich einer ideellen und intellektuellen Annäherung an den Londoner Privatermittler widmet: die Sherlockianer (englisch: Sherlockians). Sie behandeln sämtliche geschriebenen Werke von Sir Arthur Conan Doyle als zeitgeschichtliches Biographiematerial des – ihrer Lesart nach – (einst) real existierenden Doktor John Watson, dem treuen Begleiter des ebenfalls als nicht-fiktional angesehenen Über-Detektivs Sherlock Holmes. Die Idee dieser Herangehensweise, die auch simpel als Das Spiel (The Game) bezeichnet wird, geht jedoch über ein einfaches Lesen der Werke Conan Doyles als Zeitzeugnis hinaus: Sämtliche Feinheiten und Hintergründe, die Lebensgeschichte und jede weitere mögliche Information über den Superdetektiv und seinen Freund und Begleiter werden fein säuberlich in Biographien zusammengetragen und regelmäßig ergänzt. Weltweit wird in jedem kleinen Zitat, in jeder noch so unbedeutend wirkenden Andeutung in den Doyle’schen Texten nach neuen Erkenntnissen über die „reale“ Person des Sherlock Holmes und seines Freundes Watson gesucht mit dem Ziel, eines Tages sämtliche familiären, psychischen und privaten Hintergründe des Meisterdetektivs erschöpfend zu kennen und in die Welt zu tragen. Diese Tiefenbeschäftigung hat schon etwas von der intensiven Recherchearbeit unserer Detektei in München und geht sogar weit über die Kenntnisse hinaus, die Conan Doyle selbst über seine Romanhelden besaß, schließlich schrieb er die Geschichten über einen Zeitraum von vier Jahrzehnten und vergaß entsprechend immer wieder Details, wodurch sich vereinzelt Widersprüche innerhalb des Kanons ergaben.


Der Beginn des „Spiels“ – ein satirischer Essay bringt den Stein ins Rollen


Der britische Theologe und Kriminalschriftsteller Ronald Knox legte im Jahre 1911 im Gryphon Club (einer Lesegesellschaft) einen später als satirisch deklarierten Essay mit dem Titel Studies in the Literature of Sherlock Holmes vor. In diesem Essay setzt er eine neue – die „richtige“ – Lesart der 60 Sherlock Holmes-Romane und -Kurzgeschichten fest: Beim Lesen solle für die Interpretation die Holmes’sche Analysemethode, also der Blick auf die kleinen Dinge, die sich am Ende als die wichtigsten herausstellen („the little things are infinitely the most important“, Sherlock Holmes, A Case of Identity, 1891), auf den Detektiv selbst und seine Geschichten angewendet werden. Außerdem müsse der Person des Dr. Watson ein Großteil der Aufmerksamkeit geschenkt werden, nicht zuletzt, weil es bis auf wenige Ausnahmen immer seine Sichtweise ist, aus der wir Holmes und seine Geschichten sehen und versuchen zu verstehen. Zudem kommt Watson eine Rolle ähnlich der des antiken Chors griechischer Tragödien zu, indem er die Geschichten nicht nur erzählt, sondern sie gleichsam interpretiert und außerdem direkt in die Handlung eingreift.

Im Spiel müssen Uneindeutigkeiten und Widersprüche des Holmes-Kanons zufriedenstellend geklärt werden, indem der Teilnehmer beispielsweise Fortsetzungen und Erklärungsversuche nach einem stets ähnlichen, bestenfalls in 11 verschiedene Teile gegliederten Ablauf konzipiert und sich dabei auf literarische Vorgänger und Ideale bezieht. Das Ziel des Spiels ist es, sämtliche Widersprüche zu lösen oder wegzuerklären, jede noch so kleine Lücke in Holmes‘ und Watsons Lebenslauf mit belegbaren Daten zu füllen und so aus den beiden Ermittlern Personen aus Fleisch und Blut mit einer tatsächlichen und vermeintlich prüfbaren Lebensgeschichte zu schaffen – quasi echte Detektive wie unsere Privatdetektive in München.


„Das Spiel“ behandelt den Roman-Detektiv Sherlock Holmes als reale Person und verpasst ihm eine weitgehend lückenlose Biographie von seinen Glanzzeiten in London bis zum Ruhestand als Bienenzüchter in Sussex. Nur gestorben ist Sherlock Holmes (* 1854) nie.


„Das Spiel“ lockt nicht nur Fans, auch Wissenschaftler aus aller Welt sind involviert in das „Great Game“


Die Original-Holmes-Texte „aus der Feder von Dr. Watson“ – Conan Doyle wird unter Sherlockianern oft nur als Herausgeber oder Literaturagent Watsons angesehen – werden bibelähnlich als Heiliger Kanon bezeichnet, da sie als die einzigen originären Texte aus dieser Zeit gelten, die den „wahren“ Holmes zeigen. In dieser Konzipierung spiegelt sich deutlich Ronald Knox‘ geistlicher Hintergrund, denn die Bezüge zur Beschäftigung mit der Bibel (Bibelexegese) im Allgemeinen und dem Neuen Testament im Besonderen mit der Frage nach zeitgenössischen Originalquellen zum historischen Jesus von Nazareth sind evident. Unter Berücksichtigung des Vortrags von Knox und vieler weiterer wissenschaftlicher Artikel, Essays und Studien zur Sherlockianischen Analyse- und Leseweise, beginnt das Sherlockian Game, ebenfalls Holmesian Game oder auch Great Game genannt, seine Verbreitung in der Welt. Interessant ist dabei, dass es nicht nur von beliebigen Fans der Holmes-Geschichten gespielt wird, sondern auch von Literaturwissenschaftlern und Schriftstellern wie der erfolgreichen englischen Crime-Fiction-Autorin und Übersetzerin Dorothy L. Sayers, die in ihren Schriften bezüglich des Spiels vorgibt, dass es nur mit höchster Ernsthaftigkeit ausgeübt werden dürfe („as solemnly as a county cricket match at Lord’s“, Sayers 7), um nicht die geheimnisvolle Atmosphäre des Spiels zu verderben.

Auch der amerikanische Schriftsteller, Essayist, Journalist und Poet Christopher Morley war in das Spiel verwickelt; so schrieb er im Jahre 1944 beispielsweise ein Buch über die Freundschaft zwischen Holmes und Watson. Doch bereits vor ihm hatten Wissenschaftler und Schriftsteller Sekundärliteratur zu den beiden berühmten Vorgängern unserer Wirtschaftsdetektive aus München verfasst: S. C. Roberts Watson-Biographie von 1929, eine Chronologie der Holmes-Geschichten von Harold Wilmerding Bell (1932), eine frühe Biographie über Holmes von Vincent Starrett (1933), William S. Baring-Goulds Holmes-Biographie von 1962, eine aktuelle „nicht autorisierte“ Holmes-Biographie von Nick Rennison (2005) und eine seit 1998 stetig aktualisierte Sherlock Holmes Reference Library von Leslie S. Klinger, die sämtliche kanonischen und literaturwissenschaftlichen Texte zusammenfasst.


Sherlock-Holmes-Gesellschaften, die nicht aufhören, neue Details zu ergründen


Besagter Morley war nicht nur eine der Sherlock-Holmes-Autoritäten seiner Zeit, sondern auch Gründer des ersten amerikanischen Sherlock-Holmes-Clubs, der „Baker Street Irregulars“ (Fleischhack 248f.), bei dem es in jedem Treffen um die Auseinandersetzung mit den kanonischen Texten gehen soll. Diese Spielart sieht sogar eine „Bestrafung“ vor: Jeder, dem es nicht gelingt, ein Holmes-Zitat dem richtigen Buch zuzuordnen, muss eine Club-Runde ausgeben. Morleys Club – der bis heute besteht und seit 1946 vierteljährlich eine themenbezogene Zeitschrift herausgibt – war jedoch bei weitem nicht der einzige: Über die Jahrzehnte werden auf beiden Seiten des Atlantiks viele weitere Holmes-Gesellschaften gegründet; häufig sind sie nur Männern vorbehalten, was angesichts der spärlich gesäten Auftritte von Frauen in den Werken Conan Doyles nicht allzu sehr verwundert. Erst in den 1980er Jahren gründete sich auch ein Club nur für Frauen, die „Adventuresses of Sherlock Holmes“. Allen Clubs war natürlich die Hauptaufgabe gemein, sich in irgendeiner Art und Weise, egal ob schriftlich, mündlich oder auf sonstigen Wegen, mit dem Charakter Sherlock Holmes auseinanderzusetzen.

Allein in den USA existieren heute über 350 aktive Holmes-Clubs und -Gesellschaften, die am Spiel teilnehmen, den Charakter des Meisterdetektivs dabei erschöpfend ergründen wollen (offenbar ohne dies bisher geschafft zu haben) und den berühmtesten Vorgänger unserer Detektei in München somit stetig am Leben erhalten. Selbstverständlich gründeten sich die ersten Holmes-Gesellschaften aber in Großbritannien oder, genauer, England, der Heimat von Sherlock Holmes, wenngleich die britischen Clubs nicht so zahlreich und mitgliederschwer wurden wie ihre Nachbar-Clubs in den USA. Insgesamt soll es laut des Sherlockianers Peter Blau weltweit 911 Clubs geben, die sich mit dem Phänomen Sherlock Holmes beschäftigen (vgl. Fleischhack 250) und die sowohl überall in Europa (u.a. in Deutschland) und den USA als auch in Asien zu finden sind. Was genau diese Clubs herausfinden, wie sie bei ihrer Holmes-Analyse vorgehen und wodurch sie im digitalen Zeitalter medienwirksame virale Aufmerksamkeit erhalten, zeigt die Kurtz Privatdetektei München im zweiten Teil dieses Artikels.


Literaturverzeichnis


  • Baring-Gould, William S. Sherlock Holmes of Baker Street: A Biography of the World’s First Consulting Detective. London: Rupert Hart-Davis, 1962. Print.
  • Bell. H. W. Sherlock Holmes and Dr. Watson. The Chronology of Their Adventures. London: Constable & Co., 1932. Print.
  • Fleischhack, Maria. Die Welt des Sherlock Holmes. Darmstadt: Lambert Schneider, 2015. Print.
  • Knox, Ronald. Studies in the Literature of Sherlock Holmes. Diogenes-Club. Online. http://www.diogenes-club.com/studies.htm
  • Morley, Christopher. Sherlock Holmes and Dr. Watson: A Textbook of Friendship. 1944. Print.
  • Roberts, S. C. A note on the Watson problem. Cambridge: University Press, 1929. Print.
  • Roylott, Miss. Validity of Interpretation in Sherlockiana: A Philosophy of Art Paper. Archive.org. https://web.archive.org/web/20050923120827/http://www.geocities.com/Athens/Acropolis/8950/holmes/validity.htm
  • Sayers, Dorothy L. Unpopular Opinions. London: Victor Gollancz, 1946. Print.
  • Starrett, Vincent. The private life of Sherlock Holmes. New York: Macmillan Co., 1933. Print.

Verfasserin: Maya Grünschloß

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